Mein Weg zum Deep-Sky

Wolfgang Steinicke



Um es vorweg zu sagen, das sind noch nicht meine Deep-Sky Memoiren. Die schreibe ich erst, wenn ich mich nicht mehr auf der Dobson-Leiter halten kann. Aber Spaß beiseite, Astronomie ist, jedenfalls in Deutschland, eine ernste Wissenschaft (man muß nur in SuW blättern).

Meine astronomischen Ursprünge liegen einige Zeit zurück, Mitte der 60er Jahre im Rheinland [1]. Zum Glück war ich von anfang an fleißig und habe meine Beobachtungen aufgezeichnet - was man unbedingt machen sollte, sonst ist alles unwiderruflich verloren! Angefangen habe ich mit einem 15x30 „Fernrohr" von Quelle, was später zum Sucher meines 4"-Newton (s.u.) werden sollte. Mit dem kleinen Ding habe ich Jupitermonde und Sternfelder gezeichnet, um Wega, Deneb, Praesepe - eine gute Schulung für später. Ich bin nicht - wie heute üblich - gleich zum 20"er übergegangen, sondern mein nächstes Teleskop war ein 50mm-Selbstbau-Refraktor von Kosmos. Man bekam ein langes schwarzes Papprohr, eine größere (nicht-achromatische) Linse als Objektiv und eine kleinere Linse als Okular. Das „first light" zeigte gleich den besonderen Vorteil: Alles war in Farbe zu sehen! Immerhin, ich erkannte die Venussichel und Mondkrater. So ähnlich muß sich auch Galilei 350 Jahre früher gefühlt haben. In den 60er Jahren war der Himmel noch dunkel und ich hatte auf unserer großen Terrasse einen ausgezeichneten Beobachtungsplatz. Nur die Montierung, ein umgebauter Lampenständer, war eher suboptimal.

Ich las zu der Zeit Kosmos-Hefte (gibt es die heute noch?), immer mit einer interessanten Astro-Rubrik, besuchte astronomische Vorträge der Volkshochschule und hörte Radiosendungen von Rudolf Kühn (einst Mitbegründer von SuW). Höhepunkt war ein Besuch im Planetarium Recklinghausen bei Joachim Herrmann. Da stand ein riesiges 28 cm-Spiegelteleskop mit festem Einblick und ich sah erstmals Strukturen auf den Planeten und wunderbare Mondlandschaften. Ein weiteres Highlight war der Komet Ikija-Seki 1965, so was gewaltiges gab es nie wieder!

1967 war ein Meilenstein, als ich einen Sternfreund mit einem 4"-Newton, Marke „Palomar" (klang sehr vielversprechend!) kennenlernte. In der Tat eine Offenbarung! Da er einen gigantischen 6"er im Bau hatte, konnte ich sein Gerät günstig erwerben und begann Mondkrater zu zeichnen (Abb. 1).

 

Abb. 1 - Wallebene Posidonius im 4"-Newton bei 100x (Zeichnung vom 15.02.67).

 

Es dauerte allerdings nicht lange und das Teleskop suchte und fand den Deep-Sky. Ende der 60er Jahre, hatte ich fast alle Messierobjekte beobachtet und mein „persönliches Messierbuch" gezeichnet (Abb. 2). Insbesondere Galaxien begannen mich mehr und mehr zu faszinieren. Für meine astronomische Weiterbildung war ab 1968 Sterne und Weltraum zuständig. In Zeiten, wo es nichts zu beobachten gab, sammelte ich Galaxiendaten und dehnte meinen Horizont auf den NGC aus. 1970 erstand ich die 1962er Ausgabe von Dreyer's NGC/IC und war restlos begeistert. Eigentlich stand außer Koordinaten und einer kryptischen Beschreibung der Objekte ja nicht viel drin, dennoch zogen mich die Objekte und ihre Geheimnisse voll in ihren Bann. Was verbarg sich hinter den entsetzlich vielen Nummern? Was war z.B. NGC 1 oder IC 4617? Ich kannte zwar M1 = NGC 1952 (mein Geburtsjahr), aber wie sehen NGC 1951 oder NGC 1953 aus? Nur von den wenigstens Objekten gab es Daten oder gar Bilder, der Rest war unbekanntes Terrain. Ich wollte diese Wüste beleben! Ich sammelte Daten und suchte den Himmel viele Jahre mit dem 4"er ab, bis das Ding „leergeschaut" war.

 

Abb. 2 - M 67 im 4"-Newton bei 45x (Zeichnung vom 13.03.67).

 

Nunmehr zum Studium in Freiburg, wandte ich mich der VdS zu (seit 1976 Mitglied) und kam mit den Sternfreunden Breisgau in Kontakt. 1977 schaute ich erstmals durch ein C-8, eine Revolution! Völlig neue Möglichkeiten taten sich auf. Mittlerweile in höheren Semestern mit der Astrophysik befasst, war ich theoretisch up to date und hatte Zugang zu Fachliteratur und vor allem zu Datenbanken! So lies ich mir Magnetbänder vom Centre du Donnees Stellaires (CDS) in Strasbourg schicken. Vom Zwicky-Katalog über Quasarlisten bis hin zu Abellhaufen war alles drauf und ich jagte die Daten durch meinen ersten PC. Zur Visualisierung schrieb ich ein Grafikprogramm, quasi eine frühe Version des Guide. Nun war die Beobachtungsplanung ein Genuss. Mittlerweile hatte ich die Möglichkeit, an einem C-14 zu beobachten, zunächst auf 600 m, ab 1983 auf stattlichen 1250 m am neuen Schauinsland-Observatorium der Sternfreunde Breisgau [2]. Meine Schwerpunkte waren Quasare [3], Galaxien, Galaxiengruppen und -haufen [4], das ganze extragalaktische high-end Material also. Immer auf der Suche nach ausgefallenen Objekten gingen mir in den 80er Jahren Sachen ins Netz wie: Markarian 205 bei NGC 4319 (Abb. 3), die Integralzeichen-Galaxie (UGC 3697), Cygnus A [5], der Doppelquasar im UMa, der Corona Borealis-Haufen (Abell 2065), die Galaxien bei M 57 (IC 1296) und M 13 (NGC 6207 und IC 4617), viele Hickson-Gruppen (z.B. HCG 56 = VV 150 oder HCG 61 = The Box), Ringgalaxien wie II Zw 28 (Abb. 4), AGNs wie 3C 120 oder die schöne Galaxiengruppe um IC 1296 nur 30' südlich von Castor . Planetarische Nebel, Kugelsternhaufen oder Offene Sternhaufen wurden natürlich nicht völlig ignoriert. Astrophotographie hat mich weniger interessiert (Abb. 5 zeigt eine meiner Aufnahmen), mir war das direkte aufsaugen extrem weit gereister Photonen wichtiger!

 

Abb. 3 - Mein erster von knapp 100 Quasaren: Mrk 205 südlich von NGC 4319 (recht oben NGC 4291; Galaxienpaar = KDG 126). Zeichnung vom 12.03.83 am C-14 bei 266x.

 

Abb. 4 - Die Ringgalaxie II Zw 28 im Orion. Zeichnung vom 08.11.83 am C-14 bei 266x.

 

In den 90er Jahren habe ich die Beobachtung etwas reduziert, zugunsten meiner Arbeit am „Revised NGC/IC" [6], der 1997 im internationalen NGC/IC-Projekt integriert wurde. Die „Schreibtischastronomie", wie z.B. Leitung der VdS-Fachgruppe Deep-Sky, Projekte, Tagungen, Vorträge, Artikel (eine Auswahl findet sich in der Literaturliste), nimmt leider einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Aber auf diese Weise kann man seine Erfahrungen weitergeben und bringt Einsteiger zum Deep-Sky.

 

 

Abb. 5 - Aufnahme von NGC 7332/39 = KDG 205 (Pegasus) mit der 25 cm-Bath-Astrokamera auf TP 2415hyp (18.09.85).

 

Zum Glück bricht aber gerade eine neue Ära an, denn ab dem Frühjahr 2001 steht ein 20" Dobson (1:5) auf dem Schauinsland. Die ersten Eindrücke sind sehr vielversprechend und ich werde mich verschiedenen Beobachtungsprogrammen widmen, z.B. „superthin galaxies" [7], Ringgalaxien, Galaxienketten, echte Doppelquasaren [8] oder Galaxien, die als Variable Sterne katalogisiert wurden (s. meine Homepage [1]). Wenn das Wetter mitmacht, wird es noch eine ganze Reihe von interessanten Beobachtungen geben - bis ich schließlich von der Leiter falle...


Literatur

[1] Weiteres biographisches Material und alle Artikel seit 1996 findet man auf meiner Homepage

[2] Steinicke, W., Deep-Sky über dem Schauinsland, Sternzeit 3/2000, S. 106

[3] Steinicke, W., Im Quasar-Fieber, interstellarum 14, S. 24

[4] Steinicke, W., Katalog der Galaxiengruppen, 1984

[5] Steinicke, W., Cygnus A - Beobachtung einer außergewöhnlichen Radiogalaxie, interstellarum 18, 2001

[6] Steinicke, W., Digitale Deep-Sky Daten, visuelle Beobachtung und das NGC/IC-Projekt, VdS-Journal 1/2000, S. 49

[7] Steinicke, W., „Superthin galaxies" - Objekte, scharf wie eine Rasierklinge, VdS-Journal 2/2000, S. 71

[8] Steinicke, W., Über falsche und echte Doppelquasare, Magellan 3/2000, S. 42