Über falsche und echte Doppelquasare
Wolfgang Steinicke
In diesem Beitrag geht es um Objekte, die man wahrscheinlich gar nicht visuell beobachten kann: "echte" Doppelquasare, aus der Rubrik "Exoten der Saison". Sie sind allesamt verdammt schwach (siehe Tabelle), aber ungemein interessant und vielleicht etwas für die CCD'ler. Aber dazu später mehr.
Beginnen wir mit den "falschen" Doppelquasaren. Gemeint sind Quasare, die durch den Gravitationslinseneffekt optisch in mehrere Einzelbilder aufgespalten sind. In der Tat wurden solche Objekte bereits visuell beobachtet und in einem Fall auch getrennt! Und wer hat hier Pionierarbeit geleistet: nicht die Amis, sondern wir, die FG Deep Sky! Allerdings ist es ein hartes Stück Arbeit, das Paradeobjekt, den "Doppelquasar" Q 0957+561 im Großen Bären zu beobachten (Abb. 1). Bei einer Gesamthelligkeit von 16,1m braucht man dafür mindestens einen 14"er. Ich habe das Objekt erstmals am 03.11.84 mit einem C14 gesehen, konnte aber die Komponenten nicht trennen (Abstand nur 6"). Ronald Stoyan folgte meinen Spuren am 03.04.95 und glaubte "zwei Nuclei" im 14"-Newton wahrgenommen zu haben. Auch Andreas Domenico (18"), Christian Fuchs (20") und Stefan Karge (24") waren später erfolgreich, Stefan konnte das Objekt bei sehr gutem Seeing bei 400x eindeutig trennen.
Abb. 1 - Der Doppelquasar Q 0957+561 im Großen Bären. Links: POSS-Bild (2,5' x 2,5') der Gravitationslinse mit zwei Komponenten von 16,7m bzw. 17,0m (Gesamthelligkeit 16,1m) im Abstand von 6". Rechts: Ausschnitt aus meiner Zeichnung vom 3.11.84 (C14 bei 266x).
Bekannt sind momentan etwa 40 Gravitationslinsen, darunter auch der "Dreifachquasar" PG 1115+080 im Löwen (Gesamthelligkeit 15,8m, Abstände 2,1" bzw. 2,7"), den ich ebenfalls 1984 beobachten konnte, oder der "clover leaf"-Quasar, das "Kleeblatt" H1413+117 im Bootes, hier steht eine Beobachtung noch aus - ansonsten bitte melden! Eigentlich sollte man meinen, Gravitationslinsen seien aufgrund ihrer Exotik gegenüber echten Paaren die Ausnahme. Der Effekt wurde von Einstein vorhergesagt und es herrschte herrschte große Aufregung, als Walsh 1979 den ersten Fall (den o.g. Doppelquasar Q 0957+561) entdeckte. Die Spektren sind bei Gravitationslinsen physikalisch identisch, außerdem konnten in einigen Fällen korrelierte Helligkeitsschwankungen beobachtet werden.
Man erwartete natürlich auch, echte Paare zu finden, mußte aber überraschenderweise länger warten! Die Erwartung ist physikalisch begründet: Quasare sind extrem helle Galaxienkerne und es sollte - wie bei Doppelgalaxien - vorkommen, daß zwei Objekte räumlich benachbart entstanden sind oder sich durch Gravitation zusammengefunden haben (z.B. in Galaxienhaufen). Erst 1987 wurde der erste Fall eines Quasarpaars (OM-076 im Becher, siehe Abb. 2) von Djorgovsky nachgewiesen und bislang sind 10 Fälle dokumentiert (s. Tabelle). Die echten Doppelquasare weisen bei gleicher Rotverschiebung unterschiedliche Spektren auf und sind offenbar die exotischeren Objekte! Wieder eine "ultimate challenge" für die Deep-Sky-Truppe. Ein Blick auf die Tabelle dämpft die Euphorie, aber zumindest herrscht jetzt Klarheit: für visuelle Beobachtungen mit Teleskopen der 20"-Klasse ist leider nichts dabei, oder einer hat verdammt gute Augen (oder eine extreme Einbildungskraft). Aber es wäre doch toll, (zumindest) mal eine erstes Amateurbild mit CCD zu produzieren - nicht nur die Amis würden staunen! Selbst für ein C8 mit ST-7 ist bei 20. Größe noch nicht Schluß, wie ja auf der DST2000 eindrucksvoll demonstriert wurde. Um eines der Objekte zu trennen, braucht man natürlich deutlich mehr Power. Ergebnisse nehme ich im Rahmen des Quasar-Projekts der FG Deep-Sky gerne entgegen. Übrigens war man bei Gravitationslinsen bereits mit CCD erfolgreich, insbesondere bei dem besonders spektakulären Fall des Quasars APM08279+5255 im Großen Bären. Mit ca. 7 Mrd. Lichtjahren (Rotverschiebung z=3,87) ist es das bislang entfernteste Objekt, das visuell beobachtet werden konnte! Wolfgang Düskau war wohl als erster mit CCD erfolgreich (s. Aufnahme in: Steinicke, W., Deep-Sky auf dem Schauinsland, Sternzeit 2/2000). Was ist am APM-Quasar so spektakulär? Er ist mit etwa 16,5m, gemessen an seiner großen Entfernung, extrem hell -man sprach zunächst vom "absolut hellsten Quasar". Es stellte sich aber heraus, daß er aus zwei nahezu gleichhellen Bildern einer Gravitationslinse besteht, im Abstand von nur 0,4". Der Effekt verstärkt die scheinbare Helligkeit, in Wahrheit hat der Quasar also eine geringere Leuchtkraft.
Abb. 2 - Beispiele für Quasarpaare (POSS-Bilder; 2,5' x 2,5'). Links das historisch erste Paar: OM-076 mit 18,7m bzw. 21,5m in 4,2". Rechts das hellste Paar: HS 1216+5032 mit 17,2m bzw. 18,6m in 8,9".
Ob echte oder falsche Doppelquasare, eine Beobachtung oder Aufnahme ist immer eine Herausforderung, denn man arbeitet hier stets im Grenzbereich - sowohl was die Natur, Physik und kosmische Bedeutung der Objekte betrifft, als auch in Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit und die der Ausrüstung. Für Deep-Sky-Beobachter, die eher leichte Kost bevorzugen, ist es vielleicht interessant zu wissen, was so am Himmel verborgen ist.
Tabelle: Die bislang entdeckten Quasarpaare (Stb = Sternbild, K = Komponeten, m = photographische Helligkeit, z = Rotverschiebung, d = Abstand in ").
Objekt | Position (2000) | m | z | d | Namen | ||
1 | Q 0023+171 |
A
B |
00 25 37.2 +17 28 00 00 25 36.9 +17 28 04 |
21.9 23.1 |
0.944 0.946 |
4.8 | MG1 J002538+1728 |
2 | PHL 1222 | A
B |
01 53 53.9 +05 02 59 | 17.6 21.5 |
1.904 | 3.3 | UM 144, Q 0151+048 |
3 | CTQ 839 | A
B |
02 52 57.9 -32 49 09 | 18.3 20.8 |
2.240 | 2.1 | |
4 | OM-076 | A
B |
11 47 51.6 -07 24 41 11 47 53.6 -07 24 44 |
18.7 21.5 |
1.342 1.341 |
4.2 | PKS 1145-071, Q 1145-071 |
5 | HS 1216+5032 | A
B |
12 18 41.0 +50 15 35 12 18 40.3 +50 15 41 |
17.2 18.6 |
1.450 1.451 |
8.9 | |
6 | Q 1343+266 | A
B |
13 45 43.8 +26 25 07 13 45 44.5 +26 25 06 |
20.4 20.0 |
2.029 2.031 |
9.5 | RRS IV 26 RRS IV 27 |
7 | RIXOS F212_032 | A
B |
16 29 02.3 +37 24 34 16 29 02.6 +37 24 29 |
18.6 18.8 |
0.923 0.923 |
4.3 | 1WGA J1629.0+3724,
RX J162902.3+372434 |
8 | FIRST J1643+3156 | A
B |
16 43 11.4 +31 56 19 16 43 11.4 +31 56 21 |
18.4 18.4 |
0.586 0.587 |
2.3 | 87GB 164118.4+320129 |
9 | LBQS 2153-2056 | A
B |
21 55 53.5 -20 41 46 | 17.9 21.3 |
1.845 1.845 |
7.8 | Q 2153-209 |
10 | MGC 2214+3550 | A
B |
22 14 57.0 +35 51 25 22 14 57.7 +35 51 28 |
18.8 19.3 |
0.879 0.876 |
3.0 | B2 2212+35, MG3 J221454+3550 |