Cygnus A - Beobachtung einer außergeöhnlichen Radiogalaxie
Wolfgang Steinicke
Nach dem 2. Weltkrieg begann man intensiv nach diskreten Radioquellen zu forschen. Klar, dass einem zunächst die stärksten Quellen ins Netz gingen. Die Bezeichnungsweise war simpel: Sternbild plus Intensität (A = stärkste, B = zweitstärkste Quelle usw.). Beispiele sind Sagittarius A (Zentrum der Galaxis), Cassiopeia A (Supernovaüberrest; 1680?), Centaurus A (aktive Galaxie NGC 5128) und eben auch Cygnus A. Leider waren die ersten Positionsbestimmungen wenig genau, das änderte sich durch die Radiointerferometrie mit sekundengenauen Positionen. Dies ermöglichte Anfang der 50er Jahre die optische Identifikation der Quellen. Unter den ersten Erfolgen war auch Cygnus A.
Entdeckung und physikalische Natur
1944 entdeckte Grote Reber die Radioquelle im Sternbild Schwan, es ist die zweitstärkste am gesamten Himmel (nach Cassiopeia A). Hey, Parsons und Phillips fanden zwei Jahre später, dass Cygnus A eine Quelle mit kurzen Intensitätsschwankungen ist, was auf eine kleine Winkelausdehnung schließen läßt. Die von ihnen gemessene, noch ungenaue Position (Cygnus A befindet sich etwa 5° westlich von Gamma Cygni) wurde im August 1951 von Graham Smith mit dem neuen Cambridge-Interferometer wesentlich verbessert. Der Cambridge Astronom David Dewhirst, im Besitz eine Mt. Wilson Aufnahme des Felds, entdeckte am Ort der Quelle einen schwachen sphärischen Nebel von 16.5 mag und 20" Durchmesser mit einer zentralen Verdichtung [1]. Smith hat die Positionsdaten per Luftpost an Walter Baade vom Palomar Observatory geschickt.. Dieser bestätigte im September 1951 den ungewöhnlichen Fund auf einer Paltte des 200-Zöllers [1a]. Baade war überzeugt, dass es sich um eine Kollision zweier Galaxien handelte (Abb. 1). Er wettete mit seinem skeptischen Kollegen Rudolph Minkowski um 1000 Dollar! Minkowski glaubte an einen galaktischen „Radiostern". Sie einigten sich schließlich auf eine Flasche Whisky, die er auch bekam, nachdem Minkowski ein Spektrum aufgenommen hatte, das typische Emissionslinien zeigte. Die extragalaktische Natur ergab sich aus der gemessenen Rotverschiebung von z=0.056, entsprechend einer Radialgeschwindigkeit von 16.830 km/s. Cygnus A befindet sich demnach in einer Entfernung von 790 Mill. Lj.
Abb. 1 - Erste Aufnahme von Cygnus A von Walter Baade mit dem 200" Hale-Reflektor.
Die galaktische Absorption ist im Bereich von Gamma Cygni relativ gering und so scheinen hier viele Galaxien durch die „zone of avoidance". Schon Baade erkannte, daß Cygnus A die dominierende Galaxie in einem reichen Galaxienhaufen ist (er zählte insgesamt 200 Galaxien). Dafür haben später Rood und Sastry den Typ cD definiert, was "core dominant" bedeutet, d.h. „im Zentrum dominierend". Es handelt sich um gigantische elliptische Galaxien, die oftmals Kannibalen sind oder ausgeprägte Jets aus ihren massiven zentralen schwarzen Löchern ausstoßen; Beispiele sind M 87 im Virgohaufen oder NGC 6166 in Abell 2199. Auch Cygnus A zeigt zwei Radiojets, die in riesigen Ohrläppchen ("Lobes") enden [2], [3]. Die Gesamtausdehnung beträgt 120", was ca. 400.000 Lj. entspricht. Es gibt übrigens auch Amateur-Radiobeobachtungen des Objekts, so haben Bräutigam und Kauf es mit dem 3 m-Radioteleskop der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim aufgenommen [4]!
Die Erklärung als Kollision zweier Galaxien wurde später verworfen; Baade hat die Flasche also zu unrecht gewonnen. Es handelt sich um eine elliptische Galaxie mit zentralem Staubring, eine massive Version von Centaurus A (weitere Beispiele hierzu siehe [5]). Cygnus A besitzt einen aktiven Quasarkern mit Seyfert 1-Spektrum [6], der durch den gigantischen Staubring in Form eines "doughnut" verdeckt wird [7]. Das Objekt scheint wohl 1000mal massereicher zu sein als unsere Milchstraße (Daten in Tab. 1).
Visuelle Beobachtung
Abb. 2 - Zeichnung des Autors von Cygnus A aus dem Jahre 1984 (C-14, 450x).
Es dauerte immerhin fast 17 Jahre bis zu einer erneuten Beobachtung: 2001 auf dem ITV. Am 25. Mai (Freitag abend) war der Himmel ausgezeichnet und ich hatte mich gut vorbereitet - mittlerweile mit Uranometria, Guide 7-Ausdruck und POSS-Aufnahme (was für ein Fortschritt zu früher!). Frank Richardsen war eingeweiht und sein 20" Dobson (1:5) stand bereit. In der zweiten Nachthälfte, so etwa um 2 Uhr war es einigermaßen dunkel und der Schwan stand in mittlerer Höhe im Osten. Frank ließ es sich nicht nehmen, das Objekt selbst zu suchen und nach bemerkenswert kurzer Zeit - hier zeigt sich seine Routine - war das Feld im Okular. Ich mußte mich erst eine Weile orientieren und mehrmals von der Leiter zur Karte absteigen, wobei das Feld wieder rauswanderte. Immerhin wurde mit dem 4,8 mm Nagler-Okular bei 530fach beobachtet - trotz 82° Gesichtsfeld ist der Ausschnitt klein. Nach einigem hin und her war ich im Bilde und sah die trapezförmige Sternkonstellation - und in der Mitte der kürzeren Diagonale...Cygnus A! Schwach aber vorhanden, allerdings nur indirekt zu sehen. Mir kam das Objekt etwas schwächer vor, als bei meiner ersten Sichtung, vielleicht war der Himmel aber auch insgesamt zu hell, dazu kommt der Höhenunterschied von 800 m. Frank konnte meine Sichtung bestätigen - Cygnus A war im Kasten!
CCD-Aufnahme
In bemerkenswerter Koinzidenz - manchmal ist die Zeit wohl reif für ausgefallene Dinge - postete Hans-Günter Diederich am 28. Mai 2001, also 3 Tage nach unserer ITV-Beobachtung, eine CCD-Aufnahme von Cygnus A auf der Mailingliste der Fachgruppe Deep-Sky. Mit seinem 12"-SCT und einer ST-8 (ABG) entstand mit einer Integrationszeit von 1.440 s im bin3-Modus ein bemerkenswert gutes Bild (Abb. 3). Interessant ist, daß der "Halo" schwache Strukturen zeigt. Meines Wissens ist das die erste Amateuraufnahme überhaupt.
Abb. 3 - Hans-Günter Diederich's CCD-Aufnahme von Cygnus A (12" SCT, ST-8)
Noch ein Nachtrag zu den Angaben in der Uranometria und Guide 7. Das Programm stellt die Position um 1' falsch dar, was bei einem derart kleinen, schwachen Objekt ein Aufsuchen unmöglich macht. In der Uranometria (S. 84) stehen an der Position zwei Symbole nebeneinander: Cyg A (Röntgenquelle) und 3C 405 (Radioquelle). Beide Objekte sind aber identisch (s. Tab. 1); in der Tat ist Cygnus A auch eine starke Röntgenquelle - übrigens eines der ersten Ziele des Röntgensatelliten Chandra.
Also, wer mal etwas Besonderes sehen will, ist bei Cygnus A an der richtigen Adresse!
Tab. 1 - Daten von Cygnus A
Koordinaten (2000) | 19 59 28.3 +40 44 02 |
Sternbild | Schwan (Uranometria S. 84) |
Typ | cD3, Kern = Quasar mit Seyfert 1-Spektrum |
Visuelle Helligkeit | 15.1mag |
Absolute Helligkeit | -22.6mag |
Optische Größe, PW | 30" x 18", 140° |
Rotverschiebung z | 0.056 |
Entfernung | 790 Mill. Lj |
Bezeichnungen | 3C 405, VV 72, MCG 7-41-3, PGC 63932 |
Literatur
[1] Dewhirst, D., Observatory 21, 212 (1951)
[1a] Baade, W., Minkowski, R., Identifications of the Radio Sources in Cassiopeia, Cygnus A and Puppis A, Astrophys. J. 119, 206 (1954)
[2] Möllenhoff, C., Extragalaktische Doppelradioquellen, Sterne und Weltraum, 1/1976, S. 13
[3] Klein, U., et al., Kopf-Schwanz-Radioquellen, Sterne und Weltraum, 1/1996, S. 12
[4] Bräutigam, R., Kauf, A., Radioastronomie an der Starkenburg-Sternwarte Heppenheim, Sterne und Weltraum, 11/1992, S. 717
[5] Bertola, F., What Shape are Elliptical Galaxies?, Sky & Telescope, May 1981, S. 380
[6] Mehr über Quasare und aktive Galaxien.
[7] Cygnus A's True Nucleus, Sky & Telescope, July 1993, S. 13
[8] Steinicke, W., Deep-Sky über dem Schauinsland, Sternzeit 3/2000, S. 106
[9] Veron, P., A Catalogue of Quasares and Active Galactic Nuclei, ESO Scientific Report 19 (April 2000)
[10] Das Sternbild des Monats: Schwan (Cygnus), Sterne und Weltraum, 6/1986, S. 333