Deep-Sky in Deutschland

Bestandsaufnahme und Blick über den Tellerrand

 

Wolfgang Steinicke

 

Im Vergleich zu den USA - insbesondere Arizona oder Kalifornien - scheint Deutschland nicht gerade das Vorzeigeland für Deep-Sky-Beobachtungen. Das liegt aber nicht am Engagement, der Ausrüstung oder dem know how der Sternfreunde, sondern hauptsächlich am bescheidenen Wetter. Aber manche sind noch schlechter dran, z.B. die Engländer und Iren. Schon der alte Lord Rosse konnte seinen 72 Zöller, von 1845 bis 1917 das größte Teleskop der Welt, im irischen Birr Castle nur höchst selten nutzen. Was er beobachtet hat, verdient aber höchste Anerkennung [1]. Heute kommen weitere Probleme hinzu, z.B. die Luft- und Lichtverschmutzung. Was trotzdem so alles am „tiefen Himmel" über Deutschland los ist, möchte ich aus meiner Sicht vorstellen. Doch zunächst die wichtigste Frage:

 

Was bedeutet eigentlich „Deep-Sky"?

Schaut man mit bloßem Auge zum Himmel, so fallen einem - nach Helligkeit geordnet - Sonne, Mond, Kometen, Meteore, Planeten und Sterne auf. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man Sternhaufen, wie etwa die Plejaden oder Coma Berenices. Praesepe oder h + chi im Perseus erscheinen nur als „Nebelflecken" - erst ein Feldstecher zeigt Einzelsterne. Es gibt aber auch einen Nebelflecken, den auch der Feldstecher nicht auflöst: der Andromedanebel, unsere Nachbargalaxie. Leider können wir mit dem bloßen Auge oder einfachen Teleskopen nichts über die räumliche Tiefe, sprich die Entfernung, aussagen. Hier muß die Fachastronomie aushelfen. Sie liefert mittels Trigonometrie, Spektroskopie und einer Vielzahl komplizierter Methoden ein dreidimensionales Bild des Kosmos. Wenn wir diese Erkenntnisse verinnerlichen, dass der Mond uns am nächsten ist, gefolgt von Sonne und Planeten, die Welt der Sterne aber erst weit jenseits des Sonnensystems beginnt, von den Galaxien ganz zu schweigen, erleben wir die Himmelsbeobachtung anders. Wir nehmen die Objekte gedanklich in ihrer Tiefe war: Sonne, Mond und Planeten kreisen quasi vor der Haustür, Sterne und Galaxien stehen dagegen in einem weit entfernten Land - der nächste Stern (a Centauri) ist fast 7000mal weiter weg als der entfernteste Planet (Pluto)! Angesichts dieser Zweiteilung haben die Amateurastronomen auch ihre Interessensphären geteilt: in „Near-Sky" und „Deep-Sky". Doch Vorsicht: Das bedeutet keine Zweiklassengesellschaft in puncto Instrumentengröße oder astronomischem Anspruch. In beiden Bereichen kann man mit allen Arten von Fernrohren und Hilfsmitteln arbeiten, so gibt es z.B. erstaunlich professionelle Beobachtungen der Wolkenbänder des Jupiter, wie die Fachgruppe Planeten zeigt. Im VdS-Journal wird regelmäßig über die vielfältigen Möglichkeiten der „Near-Sky"-Beobachtung berichtet.

 

Deep-Sky Objekte und visuelle Beobachtung

Folgt man der besagten Aufteilung, so ist die Frage nach den Deep-Sky Objekten eigentlich leicht zu beantworten (Tab. 1). Man beachte die Unterscheidung in galaktische Objekte, die zu unserer Milchstraße (Galaxis) gehören, und extragalaktische Objekte, die jenseits davon liegen. Was noch auffällt: Veränderliche Sterne fehlen: Man hat sie bewusst herausgelassen, da dieses Arbeitsgebiet traditionell recht eigenständig und vor allem umfangreich ist, wie ein Blick in die Arbeit der Fachgruppe „Veränderliche Sterne" zeigt.

 

Tab. 1 - Deep-Sky Objekte

Galaktische Deep-Sky Objekte
Einzel-, Doppel- und Mehrfachsterne
Emissions-, Reflexions- und Dunkelnebel
Planetarische Nebel
Offene Sternhaufen, Sterngruppen, Kugelsternhaufen
Extragalaktische Deep-Sky Objekte
Galaxien
Objekte in anderen Galaxien (Riesensterne, HII-Regionen, Supersternhaufen, Kugelsternhaufen)
Galaxienpaare, -gruppen und -haufen
Quasare

In diesem Artikel geht es um die „visuelle Deep-Sky Beobachtung". Ich möchte hier aber nicht nur über die Arbeit der VdS-Fachgruppe berichten, sondern den Blick über die gesamte deutsche Szene schweifen lassen (zumal nicht alle FG-Mitglieder auch der Vereinigung der Sternfreunde (VdS) e.V. angehören). Man gewinnt sicher einen Eindruck, wenn man sich auf Teleskoptreffen, wie dem ITV oder BTM, oder Tagungen, wie der DST, herumtreibt. Auch das Studium der einschlägigen Magazine (Interstellarum, Magellan) oder Recherchen im Internet (Webseiten, Mailinglisten) liefern interessante Anhaltspunkte. Dies sind aber eben nur Eindrücke und statistisch nicht repräsentativ. Ich kam daher im letzten Jahr auf die Idee, eine Fragebogenaktion innerhalb der Fachgruppe zu starten; um zu sehen, „wer was wo womit macht". Aber nicht als Selbstzweck (oder um diesen Artikel schreiben zu können), sondern um die Kommunikation zu fördern. Jeder Teilnehmer bekommt die Ergebnis-Datei, die aus Gründen des Datenschutzes nicht veröffentlicht wird, und kann sich informieren oder Kontakte knüpfen. Er erfährt, wer seine speziellen Vorlieben teilt, in der Nähe beobachtet oder über bestimmte Erfahrungen bzw. Geräte verfügt. Bereits auf der DST2001 habe ich die Ergebnisse präsentiert. Im dortigen Vortrag ging es aber nicht nur um den Ist-Zustand, d.h. um bestehende Projekte und Beobachtungsergebnisse, sondern auch um Ideen für neue Aktivitäten innerhalb der Fachgruppe sowie die Kooperation mit anderen Fachgruppen.

 

Die Fragebogenaktion der Fachgruppe Deep-Sky

Wieviele haben den umfangreichen Fragebogen ausgefüllt und sich damit als „Mitglieder" der Fachgruppe geoutet? Bis heute 191 - und das ist bemerkenswert, denn mit so viel Resonanz hatte keiner gerechnet. Ein kleiner Wermutstropfen: Es sind nur 3 Frauen dabei! „Ist Deep-Sky nur Männersache?" - wie passend erscheint diese Frage, die meine Frau in Ihrem Artikel [2] stellt (wobei sie das Ergebnis der Aktion noch nicht kannte). Vielleicht gelingt es, den weiblichen Anteil noch zu steigern? Eine andere Frage: „Wieviele sind VdS-Mitglied?" - allein vor dem Hintergrund, dass die Zugehörigkeit zur Fachgruppe, keine VdS-Mitgliedschaft voraussetzt. Ich war überrascht, denn es sind 72% (über 50% gehören auch noch anderen Vereinen an). Damit ist auch klar, dass das VdS-Journal eine breite Leserschaft bei den Deep-Sky Beobachtern hat. Schaut man auf das Durchschnittalter von 43 Jahren und darauf, dass fast 2/3 sich als „Fortgeschrittene" bezeichnen, so besteht die Fachgruppe offenbar mehrheitlich aus erfahrenen Amateuren (die Beschäftigung mit der Astronomie reicht dabei bis ins Jahr 1943 zurück). Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum der FG hin und wieder ein elitäres Image nachgesagt wird? Heutzutage aber zu Unrecht, wie ich meine. Es ist klar, dass die Fachgruppe bei weitem nicht die Gesamtheit der deutschen Deep-Sky Beobachter umfasst. Es gibt viele Anfänger und Einsteiger, die mit der VdS nichts am Hut haben, wie etwa ein Blick in populäre Mailinglisten (z.B. bei astronomie.de) zeigt. Trotzdem erreichen wir viele über unsere FG-Webseite, unsere Mailingliste deepsky@naa.net (75% der Befragten sind online) aber auch über Zeitschriften, Tagungen (Vorträge) und Treffen. Übrigens: Wer noch an der Fragebogenaktion teilnehmen möchte, ist auf unserer Webseite herzlich eingeladen.

Welche Instrumente werden benutzt, was sind die Beobachtungsbedingungen und was die bevorzugten Objekte? Beobachtet wird zwar mit bis zu 30" Öffnung (amerikanische Verhältnisse!), der Mittelwert liegt aber bei 8-10". Favorisiert werden ganz klar die Newton (meist in Dobson-Bauweise), gefolgt von den Schmidt-Cassegrain und Refraktoren. Ein Dobson ist einfach vom Preis/Leistungsverhältnis und aufgrund seiner Mobilität das ideale Instrument für die visuelle Deep-Sky Beobachtung (Abb. 1). Viele Einsteiger wagen daher gleich den Sprung vom Feldstecher zum 6" oder 8" Dobson. Der Anteil der fest stationierten Geräte liegt bei knapp 15% (Abb. 2).


Abb. 1 - Bernd Schatzmann aus Flensburg, seit 1972 aktiv, und sein hervorragender 18" Dobson.


Abb. 2 - Willi „Kette" Wacker aus Steinfurt, seit 1969 aktiv, an seinem stationären 16" f/4.5 Newton, der mit viel Eigenarbeit entstanden ist.


Die Beobachtungsorte spiegeln die deutsche Topographie wider (nur 6% der Befragten leben nicht in Deutschland): vom Flachland über die Mittelgebirge bis hin zu den Alpen. Die meisten klagen aber über mäßige bis schlechte Beobachtungsbedingungen (stadtnah). Nur wenige haben das Glück eines dunklen Landhimmels, mit einer visuellen Grenzgröße des bloßen Auges (fst = „faintest stars") von 6.0 mag, oder kommen gar in den Genuss des Alpenhimmels (fst > 6.5mag). Trotzdem werden alle Arten von Objekten beobachtet. Am beliebtesten sind Galaxien und Planetarische Nebel (Abb. 3). Auch Planeten stehen hoch im Kurs - ein Deep-Sky'ler schreckt offenbar vor nichts zurück. Obwohl auch Quasare in der Rangliste vertreten sind, werden aber in der Regel die Standardobjekte bevorzugt. Der Wunsch nach Messier ist ungebrochen. Wir machen sicher einen Fehler, wenn wir dies nicht gebührend beachten und statt dessen diskutieren, ob äußere Halostrukturen des kataklysmischen Wolf-Rayet-Sterns MASXi F02456-345 im FeVIII-Filter indirekt sichtbar sind.



Abb. 3 - Rangliste der beliebtesten Objektklassen.

 

Was die Erfahrungen angeht, so dominiert bei den Befragten eindeutig die visuelle Beobachtung (war zu erwarten), gefolgt von Astrofotografie und CCD. Dies ist wohl eine ideale Kombination, wenn man die entsprechende Ausrüstung hat. Eher mager ist die Bereitschaft zu zeichnen (4%), dabei sollte doch gerade das ein Paradepferd von Deep-Sky sein. Täuschen die vielen veröffentlichten Zeichnungen oder zeichnen immer dieselben? Hier muß wohl noch Aufbauarbeit geleistet werden: Also wieder einen Workshop „Zeichnen" auf der DST2002. Ausnahmen bestätigen aber bekanntlich die Regel, wie der Beitrag von Carolin Tomasek [3] zeigt (zeichnende Frau!).

Ich hatte auch gefragt, welche Zeitschriften gelesen werden. Die Redakteure sind jetzt sicher gespannt, ich möchte aber hier bewusst keine Rangliste präsentieren. Statt dessen die Auskunft, wie die Mitglieder von der Fachgruppe erfahren haben. Bei nahezu der Hälfte war es die VdS bzw. Sterne & Weltraum. Der Rest wurde über andere Magazine oder Vereine auf uns aufmerksam. Erstaunlich: Nur 6% haben das Internet angegeben. Noch ein Blick auf das Interesse am Artikelschreiben, an Tagungsbesuchen oder allgemein die Bereitschaft zur Kommunikation. Über die Hälfte ist an eigenen Artikeln interessiert, man traut sich eben nicht. Wie in diesem Heft gezeigt, ist es für alle ermutigend, wenn auch Einsteiger ihre ersten Erfahrungen beschreiben. Sicher, auch high-end Themen machen Spaß und sind auch durchaus gefragt - selbst wenn man nicht mithalten kann. Viele wollen aber auch Elementares lesen, dabei ihre eigene Situation wiederkennen, aus Fehlern lernen und neue, nicht zu weit entfernte Ziele anstreben! Ich möchte alle ermuntern, selbst zu schreiben und wir sind gerne bereit, Hilfestellung zu leisten. Fast 70% der Befragten waren schon auf Tagungen oder Treffen. Dies zeigt, wie wichtig - auch im Zeitalter des Internet - der direkte Kontakt ist. Was die Kommunikation betrifft, so bezeichnen sich nur 16% als „Einzelkämpfer". 45% wünschen sich mehr Erfahrungsaustausch, der Rest praktiziert ihn bereits. Wenn die Fragebogenaktion eine Zielgruppe hat, dann sind es diese 45%. Ich hoffe, dass wir zu mehr Kommunikation beitragen können und so die Faszination von „Deep-Sky" weitertragen.

Abschließend noch etwas aus der Rubrik „Kritik & Kommentare". Hier endet zwar die Repräsentativität, dafür wird es besonders interessant. Zunächst mal bekommt die FG viel Lob für ihr Engagement und die professionelle Arbeit - darüber freuen wir uns. Hauptkritikpunkt ist aber das besagte „hohe Niveau", es wird konkret mehr Unterstützung für Anfänger gewünscht. Auch werden Objekte, die vielen schwer erscheinen, oft als „leicht" dargestellt. Auf dem ITV konnte ich feststellen, dass manche 8"-Besitzer 13-14mag als „nicht machbar" ansehen. Wenn die Profis das letzte Photon noch freudig erregt wahrnehmen, ist es bei vielen schon zappenduster! Wir sollen „keine Gigantomanie fördern" heißt es, andererseits wird aber auch „Rat für Fortgeschrittene" gewünscht. Fazit: Wir müssen das ganze Spektrum bedienen! Den Wunsch, wir sollen „visuelle Beobachtung und Astrofotografie gleichwertig behandeln", können wir leicht erfüllen, gibt es doch enge Kontakte zur Astrofotografie/CCD (s.u.). Einer schreibt, die „visuelle Beobachtung extragalaktischer Objekte wird oft belächelt" und kritisiert, dass es vielen nur um die Technik oder die Teleskopöffnung geht, ohne etwas vernünftiges damit anzufangen. Das soll es geben! Als letztes noch die Klage, dass zuviele englische Begriffe benutzt werden. Wieso, das folgende Beispiel ist doch allgemein verständlich, oder?

By the way: Ich scannte die Nacht die redshift des clusters JWD 0815+007 im Big Dipper. Total 'off the beaten paths', trotzdem easy stuff für mein scope. Als ich das dark field mit gebinnter sampling rate gezeroed hatte, verließ mich das seeing, trotzdem eine echte challenge - what a bright future!"

Ja, ich kann die Kritik verstehen - oft klingen die Sachen wirklich abgehoben, um nicht zu sagen, überheblich!

Im Folgenden geht es um Projekte, Programme und Ideen innerhalb der Fachgruppe. Wir schauen aber auch über den Tellerrand hinaus und fragen nach Verbindungen zu anderen Fachgruppen. Hier ergeben sich interessante Möglichkeiten zur Kooperation.

 

Projekte, Programme und Ideen

Was ist also los am deutschen Himmel? Glaubt man dem, was alles publiziert wird, so wimmelt es von Objekten, Projekten, Beobachtungslisten und Ideen. Zweifel sind angebracht, das zeigen z.B. meine Erfahrungen auf Teleskoptreffen. Hier wird gar nicht so viel (verschiedenes) beobachtet, es geht vielen mehr um die Technik - es ist eben ein „Teleskoptreffen" und kein „Beobachtungstreffen". Was ist mit der jährlichen Deep-Sky Tagung (DST)? Hier trifft man sich bewusst nicht zum Beobachten, sondern zum Kennenlernen und Fachsimpeln. Das wirkliche Himmelsleben ist demnach eine einsame Angelegenheit, eine Gruppe findet sich eher selten. Die meisten bevorzugen einfaches Spazierensehen, besuchen dabei alte Bekannte mit dem Anfangsbuchstaben „M". Wem das auf Dauer nicht reicht, sucht sich gezielt Objekte heraus oder stellt ein kleines Beobachtungsprogramm zusammen [4]. Beispiele hierfür sind etwa „Kugelsternhaufen im Ophiuchus", „Doppelsterne im Löwen", „Galaxien im Virgohaufen" oder „helle Planetarische Nebel"; frei nach dem Schema: gleiche Objektklasse oder gleiches Himmelsareal. Mit dem passenden Gerät und der richtigen Vorbereitung stellen sich sicher Erfolge ein und die Motivation steigt. Vielleicht resultiert daraus ein kleiner Beobachtungsbericht und andere können von den gemachten Erfahrungen profitieren. Auch die Fachgruppe bietet Projekte an, die aber großteils - und das wurde auf der DST2001 kritisiert - als zu schwer empfunden werden. Vielleicht muß auch nicht alles gleich „Projekt" heißen? Das hat den Touch des „offiziellen" und wirkt eher abschreckend. Es reichen schon Beobachtungsprogramme oder -listen, die als Anregung gedacht sind. Hier wollen wir uns in Zukunft stärker engagieren und Vorschläge für alle Schwierigkeitsgrade, besonders aber für Einsteiger, machen. Hier einige Beispiele für kleinere Teleskope:

Geht man die Reihe der Deep-Sky Objekte durch (s. Tab. 1 in [1]), so ergeben sich weitere Möglichkeiten: Von einfachen Sachen bis hin zu echten „challenges" (Entschuldigung: Herausforderungen). Hier weitere Beispiele:

Bei den Sternhaufen gibt es das FG-Projekt „Offene Sternhaufen", wobei es hauptsächlich um Objekte geht, die nicht im NGC enthalten sind. Schwierig? Muss nicht unbedingt sein, gibt es doch bereits Feldstecherobjekte wie IC 4665, IC 4765, Stock 1 oder Collinder 399, der „Kleiderbügel". So taucht man ohne Mühe in die Welt jenseits von M (und sogar NGC) ein! Bei den Kugelsternhaufen locken echte Raritäten, z.B. die Palomar-Haufen [12]. Auch hier ist Öffnung nicht alles, es kommt eher auf eine große Austrittspupille (kleine Vergrößerung, großes Gesichtsfeld) an. Nur so können sich die ausgedehnten, lichtschwachen Objekte vom Hintergrund abheben. Gerade kleinere Teleskope liefern erstaunliche Ergebnisse!

Bei den Galaxien gibt es die größte Auswahl. Aber Vorsicht, die Beliebtheit ist oft umgekehrt proportional zum optischen Eindruck, will heißen: Der Großteil ist schwach, klein und schwierig! Dafür ist der psychologische Eindruck von „Tiefe" hier am stärksten (vielleicht nur noch übertroffen bei Quasaren). Hoch im Kurs stehen edge-on Galaxien [13] oder Galaxiengruppen [14], wo man gleich mehrere Typen auf einmal sieht. Hin und wieder lohnt es auch, eine extragalaktische Supernova zu beobachten [15] - die galaktischen sind leider zu selten. Bei helleren Exemplaren reicht schon ein 8-Zöller. Gleiches gilt für Quasare [16]; so ist 3C 273 in der Jungfrau bereits mit 6" kein Problem. Auch hierzu existiert ein FG-Projekt. Es gibt auch noch was zu entdecken, wie der Fall von „Weselowski 1" zeigt [17] oder zu untersuchen, wie Hans-Günter Diederich zeigt [18]. Fazit: Deutsche Beobachter sind erstaunlich aktiv. Nur gut, dass genügend Photonen für alle da sind! Das gilt natürlich nicht für OVNG-Objekte: „Oft versucht, nie gesehen" - eine Klasse, die auch den härtesten Deep-Sky'ler in die Schranken weist. Beispiele sind: der Zentralstern des Andromedanebels, der Pferdeschwanznebel oder die GKMW (die Ganz Kleine Magellan'sche Wolke) am Westpol des Himmels.


Verbindungen zu anderen Fachgruppen

Als letzten Punkt noch die Frage, wo es Verbindungen zwischen Deep-Sky und anderen VdS-Fachgruppen gibt (in Kommentaren zum Fragebogen wurden „Kooperationen" ausdrücklich gewünscht). Als Redakteur dieses Journals habe ich viele Kontakte mit anderen Fachgruppen. So ergab es sich auch, dass ein Mitglied der FG Spektroskopie auf der DST2001 über „Die Farben der Sterne" referierte und ich stelle mir vor, dass auch die FG Deep-Sky mal „auswärts" über ihre Arbeit berichtet. Mit der FG Astrofotografie ist der Kontakt bereits sehr eng, was sich an gemeinsamen Projekten (wechselwirkende Galaxien [19], Zwerggalaxien [20]) zeigt. Was ist aber mit den anderen FGs? Gibt es etwa Gemeinsamkeiten mit den Kometenbeobachtern? Per definitionem wohl nicht, aber was ist mit folgender Idee? Betrachtet man die Bildreihe in Abb. 4 (ohne vorher den Text zu lesen!), so sieht man nur Kometen. In Wahrheit ist aber nur ganz links ein echter Komet zu sehen. Das zweite und dritte Bild zeigen „kometarische Nebel", eine seltene Klasse galaktischer Nebel. Ganz rechts sind „Kometengalaxien" zu sehen, eine extrem seltene Klasse von Galaxien [21]. Also gleiche (optische) Morphologie, aber unterschiedliche physikalische Natur. Diese Kategorie ist doch allemal eine Beobachtung wert, oder?


Abb. 4 - V.l.n.r: Komet Halley, Kometarische Nebel NGC 2261 und Parsamyan 21, Kometengalaxien UGC 10491 und UGC 5938/42 (Erläuterung im Text).


Es gibt eine FG Jugendarbeit und wir sind hier alle gefordert, unsere Erfahrungen (Beobachtungstipps, Techniken, Kenntnisse der Astrophysik?) weiterzugeben. In einem astronomischen Jugendlager oder auf Teleskoptreffen bieten sich vielfältige Möglichkeiten. Da viele Kids mit dem Computer aufwachsen, ergibt sich ein großes Potential in puncto „Astronomie und Computer" (Programme, Astrodaten). Es fehlt eine Fachgruppe, denn die klassische „Rechnende Astronomie" liegt derzeit im Koma - vielleicht eine Anregung zur Wiederbelebung?

Bei den FGs „Dark-Sky" und „Amateurteleskope" sind die Verbindungen ebenso offensichtlich. Wir sind besonders von den Sichtbedingungen abhängig - und die werden ständig schlechter, etwa durch die üblen Sky-Beamer. Wer sich mit seinem Teleskop beschäftigt oder für den Selbstbau interessiert, findet innerhalb der VdS reichlich Kontakt. Was ist dagegen mit Spektroskopie? Diese Disziplin erscheint vielen kompliziert - es riecht nach Physik! Trotzdem kann es nicht schaden, etwas über die physikalischen Eigenschaften der Objekte zu wissen. Ein besonderes Erlebnis ist die visuelle Spektroskopie mit einem Blaze-Gitter. Hier kann man Spektralinien oder -banden (wie bei extrem roten Sternen) direkt sehen. Interessant sind auch Planetarische Nebel, die sich durch ihr Emissionslinienspektrum (die berühmte grüne OIII-Linie!) deutlich von den umgebenden Sternen, die ein kontinuierliches Spektrum zeigen, abheben. Wem das nicht reicht, kann auch die Rotverschiebung von Quasaren messen.

Zur FG Radioastronomie, von der leider in letzter Zeit wenig zu hören ist, kam mir die Idee für ein kleines Programm: Die visuelle Beobachtung der historisch ältesten (und stärksten) Quellen. Gemeint ist die „kosmische A-Klasse" [22], also Objekte wie Taurus A (Krebsnebel M1), Cygnus A [23], Virgo A (M 87) [24] oder Centaurus A (NGC 5128 am Südhimmel). Alle haben eine interessante Geschichte, die Anfang der 50er Jahre spielt. Damit sind wir schon bei einer weiteren FG, die ebenfalls kaum Lebenszeichen von sich gibt: „Geschichte der Astronomie". Meiner Meinung nach ein zentrales Gebiet, denn es macht großen Spaß, etwas über die Historie der Objekte zu erfahren - das belebt die Beobachtung ungemein. Die Liste der Entdecker und Entdeckungen ist lang und verwirrend - und voll von Fehlidentifikationen, wie z.B. im Fall des bipolaren Nebels NGC 2163 [25]. Noch ein Beispiel (Thema „Frauen in der Astronomie"): Die Amerikanerin Williamina Paton Fleming hat Ende des 19. Jahrhunderts Pionierarbeit bei der spektroskopischen Suche nach Planetarischen Nebel geleistet; im Jahre 1905 entdeckte sie z.B. IC 1747 in der Cassiopeia (Abb. 5). Diese Objekte wurden aufgrund ihrer stellaren Erscheinung übersehen. Interessant ist, sie heute visuell (mit oder ohne Filter) zu beobachten und sich zu fragen: Hätte man ihre wahre Natur bemerkt?


Abb. 5 - Links: Williamina Fleming (stehend) mit Kolleginnen am Harvard Observatorium um 1900. Rechts eine ihrer Entdeckungen: Der kompakte Planetarische Nebel IC 1747 in der Cassiopeia.

 

Eine ähnliche Frage stellt sich bei optisch variablen Galaxien, die zunächst für veränderliche Sterne gehalten wurden. Sie waren z.T. über Jahrzehnte in einschlägigen Katalogen verzeichnet, bis man ihre wahre Natur erkannte - eine spannende Geschichte [26]. Beispiele sind BL Lacertae, W Comae oder V1102 Cygni (Abb. 6). Allesamt aktive Galaxien, die einen irregulären Lichtwechsel zeigen, manchmal wird man sogar Zeuge eines enormen Helligkeitsausbruchs („burst"). Es kann sowohl visuell beobachtet und geschätzt werden, wie es Klaus Wenzel praktiziert, als auch per CCD-Photometrie. Ein Thema, was sicher für die FG „Veränderliche Sterne" interessant ist.



Abb. 6 - Die variable Galaxie V1102 Cygni (markiert); unten links die Galaxie UGC 11412. Zeichnung des Autors mit 20" f/5 Dobson bei 500x (24.08.2001).

 

Zum Schluß noch etwas zum Verhältnis zu den Fachgruppen „Planeten" und „Kleinplaneten". Der Kontrast zwischen Near- und Deep-Sky könnte kaum größer sein. Trotzdem gibt es zunächst eine begriffliche Verbindung: Planet - Planetarischer Nebel. Die Bezeichnung „Planetarischer Nebel" stammt von William Herschel. Er meint damit Objekte, die in seinem Teleskop an den von ihm 1781 entdeckten Planeten Uranus erinnern. Ein ähnliches Scheibchen zeigte auch M 57 in der Leier, 1779 von Antoine Darquier entdeckt, mit dem Unterschied seiner fixen Position. Man konnte von solchen Objekten irregeführt werden und sie für neue Planeten oder Kometen halten - übrigens ein wichtiger Beweggrund für Messier's Katalog. Die Planetensuche stand auch beim Amerikaner David Todd im Vordergrund. Er jagte Ende des 19. Jahrhunderts den Trans-Neptunischen Planeten - erfolglos, wie wir wissen. Dabei entdeckte er 8 NGC-Objekte, darunter die Galaxie NGC 3134 im Löwen. Es ist sicher interessant, diese Objekte heute zu beobachten - mit viel Nostalgie, versteht sich. Ein letzter Aspekt sind Konjunktionen zwischen Planeten (oder Kleinplaneten) und Deep-Sky Objekten. Das ist purer Spaß und man kann (wissenschaftlich völlig unbelastet) beobachten, wie zwei Objekte aus verschiedenen „Tiefen" sich treffen! So geschehen am 22.10.2001 beim „Durchgang" von (1310) Villigera zwischen NGC 404 und ß And.

Hier endet mein Ausflug in den Deep-Sky. Vielleicht konnte ich die eine oder andere Erkenntnis vermitteln (was den Zustand der deutschen Deep-Sky-Szene angeht) oder Anregungen für die eigene Tätigkeit geben. Ich bin gespannt, ob sich zwischen den Fachgruppen - und damit sind natürlich die beteiligten Personen gemeint - etwas entwickelt!

 

Literatur

[1] Steinicke, W., Besuch in Birr Castle, interstellarum 19 (2001)

[2] Steinicke, G., Ist "Deep-Sky" nur Männersache?, VdS-Journal II/2001, S. 8

[3] Tomasek, C., Ein Feldstecher, ein Bleistift und drei Sternhaufen, VdS-Journal, II/2001, S. 17

[4] Siehe hierzu etwa: Karkoschka, E., Atlas für Himmelsbeobachter, Kosmos Verlag 1997; Stoyan, R., Deep-Sky Reiseführer, Oculum Verlag 2001

[5] Jäger, T., Farbige Sterne - die Deep-Sky-Juwelen, VdS-Journal II/2001, S. 11

[6] Abe, A., Struve-Doppelsterne in der Leier, interstellarum 18, 34 (2001)

[7] Steinicke, W., Galaxien bei hellen Sternen, Magellan 4/2001, S. 35

[8] Jäger, T., Starhop zu den nächsten Sternen, interstellarum 9, 41 (1996)

[9] Bohle, J., Das Katzenauge im Drachen - ein interessanter Planetarischer Nebel, VdS-Journal II/2001, S. 14

[10] Bohle, J., Die großen Planetarischen Nebel, Magellan 3 /2001, S. 14

[11] Töpler, R., NGC 2172-2173 im Detail, Magellan 2/2001, S. 20

[12] Steinicke, W., Kugelsternhaufen Marke Palomar, interstellarum 17, 22 (2001)

[13] Kleisa, M., Seitenstiche, VdS-Journal II/2001, S. 8

[14] Steinicke, W., Das Projekt Galaxiengruppen, Teil I: interstellarum 17, 29 (2001), Teil II: interstellarum 18, 35 (2001), Teil III: interstellarum 19, 46 (2001)

[15] Steinicke, W., Die Supernova SN2001c und die Mächte der Finsternis, Sternzeit 2/2001, S. 71

[16] Steinicke, W., Im Quasar-Fieber, interstellarum 14, 24 (1998)

[17] Weselowski, G., Steinicke, W., Weselowski 1 - Entdeckung einer Nachbargalaxie im Cepheus?, VdS-Journal I/2001, S. 91

[18] Diederich, H.-G., Vorontsov-Velyaminov-Reihen in Spiralgalaxien, VdS-Journal II/2001, S. 104

[19] Riepe, P., et al., Wechselwirkende Galaxien; Teil 1: VdS-Journal I/2001, S. 42, Teil 2: VdS-Journal II/2001, S. 32

[20] Riepe, P., Steinicke, W., Zwergalaxien, VdS-Journal II/2001, S. 40

[21] Steinicke, W., In Quest of Deep-Sky Comets, Astronomy (erscheint 2002)

[22] Steinicke, W., Die A-Klasse des Deep-Sky, interstellarum 20, 50 (2002)

[23] Steinicke, W., Cygnus A - Beobachtung einer außergewöhnlichen Radiogalaxie, interstellarum 18, 26 (2001)

[24] Richardsen, F., Visuelle Beobachtung des Jets in M 87, interstellarum 18, 50 (2001)

[25] Steinicke, W., Verloren und wiedergefunden - Der bipolare Reflexionsnebel NGC 2163, Sterne u. Weltraum, Februar 2001, S. 82

[26] Steinicke, W., Extragalactic Objects Discovered as Variable Stars, Webb Society 2002