Die Supernova SN2001c und die Mächte der Finsternis

Wolfgang Steinicke


Die Astronomie liebt Steigerungen, ein Beispiel ist: Nova, Supernova, Hypernova. Vielleicht gibt es auch bald die „Ultranova" oder die heimische „Casanova"? Supernovae gehören zu den gewaltigsten Einzelereignissen im Kosmos. Solche vom Typ Ia sind selbst in über 7 Mrd. Lj noch nachweisbar und liefern entscheidende Hinweise auf Struktur und Entwicklung des Kosmos. So ist es gelungen eine beschleunigte Expansion nachzuweisen, die das Bild vom inflationären Universum entscheidend stützt. Können Amateurastronomen einen winzigen Funken von diesem gigantischen Feuerwerk abbekommen? Sie können, denn es sind genügend Supernovae beobachtbar. Und es werden auch immer wieder welche von Amateuren entdeckt. Dies ist mir leider nicht geglückt, aber ich möchte von einer spontanen Beobachtung in stürmischer Nacht berichten.


Frühjahrsputz und Matschhimmel

Wir, die Sternfreunde Breisgau, hatten am 13. Januar 2001 zum vorgezogenen Frühjahrsputz auf die Schauinslandsternwarte geladen. Und, wie es so ist, viele viele sind diesem Ruf gefolgt. Es waren schließlich acht zum Zeitschriften sortieren, Inventar überprüfen, Kuppel flicken und Optik polieren. Den ganzen Tag lachte die Sonne - bei schneidendem Ostwind. Noch zu hause kam mir die Idee, mein Astrozeug zu richten, um eventuell nach getaner Arbeit noch zu beobachten. Der Mond sollte erst um 21:30 aufgehen. Aber Vorsicht, bei Freiburger Sternfreunden ist allgemein bekannt: bei Ostwind ist das Seeing schlecht! Ich war mal mit einem Astronomiekurs auf dem Schauinsland, der Himmel sah toll aus. Es herrschte besagter Ostwind und ich hatte noch keine Ahnung was das bedeutet. Ich machte die Leute heiß auf Jupiter, erzählte beim Vorbereiten des C-14 von Monden und Wolkenbändern und sah endlich ins Okular. Neiiin! Was war das? Korrekturlinse beschlagen, Okular verschmiert, eine plötzliche Nebelbank? Jupiter sah aus wie eine amorphe Masse aus waberndem, strukturlosem Licht, manchmal zum Saturn verzerrt. Wir sind dann schnell wieder runtergefahren und ich habe mich vielmals entschuldigt.

Genau so eine Nacht war angesagt und ich fragte mich, ob ich mir das antun sollte und war bei der Objektauswahl nicht recht bei der Sache. Bis eine Email von Hans Dannhof auf unserer Deep-Sky-Mailingliste mich anstieß: Supernova SN2001c in der Galaxie PGC 19975 (Sternbild Luchs), erst wenige Tage alt, Helligkeit ca. 14.7mag. Als Galaxienfan war ich freudig erregt. Das wäre doch was. Ich zog mir die Entdeckungsaufnahme aus dem Netz und fertigte mit Guide 7 eine Aufsuchekarte. Die Supernova lag nur wenige Bogenminuten östlich der schwachen Galaxie (15.4mag).


Der Ort ist klar - aber wo ist die Schärfe?

Nach harter Fronarbeit auf der Sternwarte habe ich meinen Kollegen von meiner geplanten Supernova-Aktion erzählt. „Willst du wirklich beobachten?", wurde ich gefragt. Ich hoffte nur, dass es schnell geht. In der Dämmerung wurde der Wind noch stärker und kälter - verdammt ungemütlich. Die Nacht war dunkel und die Sterne strahlten besonders hell und einladend. Ich ließ mich von diesem himmlischen Sirenengesang nicht täuschen und richtete das C-14 auf die fragliche Himmelsgegend. Ich suchte nach der klassischen „Starhopping"-Methode, also Herantasten anhand von Karten (Uranometria, Aufsuchekarte). Das war gar nicht so einfach, der Wind verblies mir immer wieder die Seiten, hier half nur ordentliches fixieren mit schwerstem Gerät. Insgesamt eine recht mühsame Angelegenheit. Schließlich schaute ich mit einem 15mm Okular durchs C-14 und sah - wie erwartet - wabernde, verwaschene Sternscheibchen. Das größte Problem war jetzt die Fokussierung. Mit „trial and error" fand ich nach vielem Hin und Her eine Einstellung, bei der dann, wenn das Bild kurzzeitig ruhig war, auch die optimale Schärfe vorlag. Schließlich war ich im richtigen Feld - und sah gar nichts! Nach meiner Orientierung erwartete ich die Supernova rechts von einem 11mag Stern. Bevor ich mich richtig konzentrieren konnte, gab es wieder einen Schlag und der Leitstern war für einige Sekunden aus dem Feld. Wie soll man bei diesen Windstößen vernünftig arbeiten? Aber die Supernova mußte her, denn 14.7mag sind für das C-14 unter normalen Bedingungen überhaupt kein Problem (ich habe schon Quasare mit 16.5mag gesehen). Endlich blitze sie auf! In Augenblicken geringster Luftunruhe konnte ich Galaxie und Supernova eindeutig fixieren - wie im Song „Seht der Wind bläst Photonen dir ins Hirn..." (oder so ähnlich). Das war's dann. Schnell einpacken und nichts wie weg. Für weitere astronomische Highlights hatte ich trotz des (vermeintlich) schönen Himmels keinen Nerv mehr. So früh war ich noch nie zu hause, es war gerade 20:00.


Nachlese

Die Szene habe ich unmittelbar nach der Beobachtung skizziert und zu hause nachgezeichnet (Abb. 1). Innerlich zufrieden jagte ich das Resultat dann über die Mailingsliste - und wurde gleich am nächsten Tag angenehm überrascht. Ulrich Schüly - beim Supernova-briefing am Nachmittag auf der Sternwarte dabei - hatte sich gleich abends vom heimischen Balkon in Freiburg ebenfalls auf die Pirsch begeben. Allerdings nicht visuell, sondern mit C-8 und ST-7 - und war gleich erfolgreich (Abb. 2)! Dann ging es Schlag auf Schlag und in den nächsten Tagen trudelten weitere CCD-Aufnahmen von verschiedenen Amateuren ein (insgesamt 7 Stück). Die Nächte waren ebenfalls klar, ich traute mich aber nicht mehr auf den Berg, sondern versuchte es mit einem 13" Dobson vom heimischen Garten aus. Und siehe da, es lief deutlich besser. Die Luft war um einiges ruhiger und die Supernova deutlich zu sehen. Die Sternfreunde Achim Schaller und Carola Thomasek wollten aber unbedingt mein Schauinslanderlebnis nachvollziehen und waren montags mit einem 12,5" Dobson oben. Gleiches Spiel, aber auch gleicher Erfolg! Die Aktion stand leider unter einem schlechten Stern und wäre beinahe schon in Freiburg gescheitert: Eine Fahrstuhltür hatte die Rockerbox samt Spiegel eingeklemmt und heftiges Drücken ließ sie gegen die hintere Wand knallen. Der Fahrstuhl hat etwas gegen das Gerät, denn einige Wochen vorher ist Achim eine Teleskopstange unglücklich durch den Spalt zwischen Stockwerk und Tür gerutscht und flog vom 3. Stock in den dunklen Schacht...Die Mächte der Finsternis bestrafen die Sucher des Lichts!


Abb. 1 - Zeichnung von SN2001c am C-14 bei 266x.

 

Abb. 2 - CCD-Aufnahme von SN2001c von Ulrich Schüly (C-8 mit ST-7)