Das NGC/IC-Projekt

Wolfgang Steinicke

 

Bereits seit langem beschäftige ich mich mit Daten nichtstellarer Objekte (Galaxien, Quasare, Kugelhaufen etc.). Ergebnisse dieser Arbeit sind der KDG, KHQ sowie CAT2000 (darüber habe ich bereits in Vorträgen berichtet). Dabei sind mir immer wieder Fehler oder unvollständige Angaben in den "klassischen" Katalogen aufgefallen. Insbesondere im New General Catalogue (NGC) sowie dessen Anhang, dem Index Catalogue (IC). Beide Kataloge enthalten zusammen über 13000 nichtstellare Objekte. Mitte der 80er Jahre habe ich begonnen, beide Kataloge zu revidieren, d.h. Fehler zu korrigieren, neue Daten zusammenzutragen (etwa 25% der Objekte habe ich neu identifiziert) und Querverbindungen zu anderen Katalogen herzustellen. Das Ergebnis ist mein "Revised New General and Index Catalogue". Er enthält alle verfügbaren Daten und nennt über 35000 Identifikationen.

Wie bin ich vorgegangen? Daß die Arbeit hauptsächlich am Computer gemacht wird, ist klar. Über geeignete Programme werden Kataloge miteinander korreliert und Daten verglichen bzw. ergänzt. Seit etwa eineinhalb Jahren kommt mir das Internet zu Hilfe, dort habe ich Zugang zum Digital Sky Survey (DSS) am Space Telescope Science Institute. Nach Eingabe der Koordinaten erscheint das zugehörige Sky-Survey-Bild. Es wird auf Festplatte gespeichert und die eigentliche Identifizierungsarbeit beginnt. Zunächst ist überhaupt nicht klar, welches das gesuchte Objekt ist oder ob es überhaupt existiert! So geht es über tausende von Fällen. Seit neuestem habe ich auch die RealSky CDs, auf denen der Palomar Sky Survey (nördlich von -15 Deklination) zu sehen ist. Damit ist eine gute Positions- und Größenbestimmung der Objekte möglich. Bis auf einen verbleibenden Rest von 600 Objekten habe ich die Positionen aller NGC- und IC-Galaxien neu bestimmt (Genauigkeit ca. 1").

Bislang war das eine Arbeit im "stillen Kämmerlein", doch das hat sich seit März dieses Jahres grundlegend geändert. Durch Zufall bin ich im Internet auf das "NGC/IC project" gestoßen. Hier haben sich 18 Profis und Amateure aus aller Welt zusammengefunden, um genau das zu machen, was ich seit Jahren tue: die besagten Kataloge zu "säubern"! Die Leitung hat Dr. Harold Corwin (California Institute of Technology, Pasadena), dem Mitautor des SGC (Southern Galaxy Catalogue) und des monumentalen RC3 (Third Reference Catalogue of Bright Galaxies). Mittlerweile bin ich (das einzige europäische) Mitglied des Teams.

Was ist der Sinn dieser Arbeit und was hat das alles mit visueller Beobachtung zu tun? Der NGC und der IC sind die Standardreferenz für nichtstellare Objekte. Die Beobachtung und Untersuchung einzelner Objekte muß auf eindeutigen Identifikationen und vollständigen Daten beruhen, sonst können - wie geschehen - eine Fülle von Missverständnissen und Fehlinterpretationen auftreten. Eine Datenbasis muß statistisch möglichst homogen sein und sollte keine Fehler enthalten. Der NGC bzw. IC ist eine Sammlung von Objekten, die im 18. und 19. Jahrhundert von vielen verschiedenen Beobachtern und Instrumenten (meist 14 - 20 Zöller) entdeckt wurden. Dabei kann es passieren, daß ein Objekt mehrmals gefunden wurde und verschiedene Nummern trägt (z.B. NGC 6822 = IC 4895). Ziel ist es, den historisch korrekten Kandidaten zu finden und zu bezeichnen.

Durch die Projektgruppe habe ich Zugang zu den Originalquellen (Beobachtungsnotizen). Mit heutigen Amateurteleskopen ist es möglich, den visuellen Eindruck nachzuvollziehen und mit dem Beobachtungsbericht zu vergleichen. Ein Blick in den Palomar Sky Survey (Grenzgröße 21m) ist oft irreführend. Ein Objekt, was photografisch hell erscheint, war visuell gar nicht erfaßbar und scheidet so als Kandidat aus. Die Amerikaner beobachten z.B. mit 17,5" Dobson-Teleskopen. Damit wurden (trotz Internet und CD-ROM) bereis viele Puzzles gelöst. Für mich ist die Kombination zwischen Computer und Teleskop äußerst reizvoll, ich werde mich sicher noch einige Zeit damit beschäftigen. Meine Ergebnisse sind - ohne zu übertreiben - "drüben" jedenfalls heiß begehrt. Ich werde bei Gelegenheit in einem Vortrag darüber berichten.